Karla, die Nosferatuspinne wurde heute in die Freiheit entlassen... -
Foto und Copyright @indextrader24Sie war so süß und so ruhig...
Karla ist weg - genauer gesagt frei. Die Grand Dame der Spinnen musste nach ihrer Festsetzung im heimischen Keller mehr als 6 Wochen in Untersuchungshaft bei Motte und Wasser ihr dasein fristen. Da sind rund satte 10 Prozent ihrer Lebenszeit gewesen. Schande über mein Haupt, dass ich sie nicht eher freigelassen habe, auch wenn sie in ihrer Zelle mit vertrockenten Resten des australischen Baumfarns und vor Weihnachten auch mit einem Mottenschmaus von mir versorgt wurde. Zu trinken hatte sie dennoch immer reichlich.
Eigentlich sollte sie nach investigativer Untersuchungen durch den Familiennachwuchs bereits vor Weihnachten wieder in die Freiheit entlassen werden. Doch das Wetter hatte beschlossen mit klirrender Kälte und Frost ein solches Unterfangen zu vereiteln. Dazu kam jede Menge Arbeit über die Feiertage und in der Zeit zwischen Weihnachten und dem Jahreswechsel. Als zum Jahresanfang die Temperaturen kurz auf 11 Grad hoch gingen fehlte einfach die Zeit die schöne Karla wieder in die freie Natur zu entlassen. Viel zu groß war die Sorge, dass die achtbeinige und wohlproportionierte Schönheit den nahenden Frost, der angekündigt wurde, mit ihrem Leben bezahlen würde.
Also musste sie weitere 13 Tage, welch Unglückszahl, auf ihre Freilassung warten. Das sie überhaupt inhaftiert wurde, war schon ein Verbrechen, doch auch hier überwog die Sorge, dass ein Mitbewohner kurzerhand bei einem ihrer Ausflüge im Haus die Zeitung oder was auch immer herausholen würde um sie kurzerhand einfach für immer in den Spinnenhimmel zu schicken.
Ich geb´zu, dass ich überlegt hatte sie bis zum Frühling unten weiter zu parken, da ich mir schon Sorgen mache ob sie nun draußen den Winter überleben wird. Gleichwohl im Wissen um die Kürze des Lebens, konnte ich es auch nicht verantworten sie weiter ihrer kostbaren Lebenszeit zu berauben. Denn die selige Liebe dieses grazilen Wesens war einfach zu kostbar um sie für noch längere Zeit im dunklen Kerker, die schon zur Gruft zu werden drohte, zu belassen.
Daher entschloss ich mich heute nach der Arbeit bei rund 4 Grad Aussentemperatur zur Remigrationsmassnahme des Flüchtlings im Keller. Der transportable und transparente Spezialbehälter einer ehemaligen Möhren und Erbsen Kolonie sollte dabei seiner Aufgabe für einen sicheren Transport voll gerecht werden. Ziel war als Entschädigung für ihr wochenlanges karges und von Hunger begleitetes Dasein, bei dem sie gefühlt die Hälfte ihres Körpergewichtes verloren zu haben schien, eine neue Heimat im Südafrikahaus der hiesigen Lehreinrichtungen im botanischen Garten als für ihr für ihr Wohl geeignetes 5 Sterne Paradies für den Rest ihres Lebens. Kaum war ich voller Vorfreude für Karla am botanischen Garten angekommen, musst ich fesstellen, dass in unserer Vorzeigedemokratie auch Wochentags wegen "besonderer Witterungsbedingungen" - was für eine Ausrede - der botanische Garten geschlossen war.
Also nix mit 5 Sterne Luxus all inclusive Rehabilitationsprogramm für die adrette und doch schon ziemlich ausgemergelte und nur noch mit acht dünnen Beinen ausgestattete Nosferatu Schönheit.
Was für ein Scheibenkleister, dachte ich mir. Projekt Freilassung von Karla gescheitert bei + 4 Grad über Null? Stattdessen wieder zurück in die Gruft aus der sie gerade gekommen war und dort womöglich elendiglich verrecken?
Nein - undenkbar. Die kuppelförmige Biosphäre mit Palmen und mediterranten Gestrüpp aller Art war in mehr als 100 Meter Entfernung für die doch sichtlich antriebslose und geschwächte Perle des Südens unerreichbar geworden. Also suchte ich nach einem Nebeneingang zum viereckigen Südafrikahaus und fand ihn auch sofort. Sehr zu meiner Freude stand das Eingangstor sperrangelweit auf und ich freute mich schon darauf Karla in Südafrika, wo gerade Sommer ist, bestmöglich einzuquartieren. Doch leider zu früh gefreut. Denn das Südafrikahaus war besetzt - von zahllosen Zweibeinern, die sich gegenseitig prüften.
Zurück in den Kerker war nicht angesagt - denn rund 8 Spinnenjahre im Knast ohne beweisbare Delikte - waren definitiv zu Viel des Guten. Das Südafrikahaus mit Karla betreten und sie dort - trotz Sperrung für Besucher - einfach still und heimlich in einer Ecke zu platzieren - ging ebenso wenig.
Also beschloss ich Karla die Schöne einige Meter entfernt von Südafrika - nicht Kilometer - sondern wirklich Meter unter den betauten um vom Nebel durchfeuchteten Büschen aus ihrem wochenlangen Verliess zu entlassen.
Der Deckel wurde aufgemacht und das Glas über Kopf gehalten und prompt seilte sich die Schöne in unfassbarer Eleganz in das feuchte und taubedeckte Gras am Boden ab nur um dann ersteinmal inne zu halten. Es mag die Kälte sein oder auch die lange Haft in der Dunkelheit einer Einzelzelle die jener von Julian Assange in Belmarsh vermutlich das Wasser reichen könnte, die sie dazu veranlasste erst einmal nichts zu tun und nur regungslos darauf zu warten, dass ich mich entferne, was ich so denn auch gleich machte.
Kaum war ich ein paar Schritte weg, da bewegte sie sich langsam aber zielsicher unter ein nahegelegens Laubdepot aus Eichenblättern. Vermutlich wird sie da heute Nachmittag und vermutlich auch heute Nacht auf ein paar mehrbeinige Spaziergänger warten, die sie verspeisen kann um dann gestärkt schnell das Weite zu suchen und sich vermutlich in das nur 5 Meter entfernte Luxushotel zu begeben, welches die Zweibeiner in unfassbarer Dekadenz für Spinnen wie sie extra erbaut haben.
Dort so der Plan, wird sie dann bis hoffentlich morgen abend - ehe der angekündigte Frost kommt, eine neue Bleibe bis zum Frühling finden und vielleicht sogar auf Lauterbach Junior treffen, dem ich im letzten Frühling an einer anderen Ecke nicht unweit der heutigen die Remigration in die freie Natur ermöglichte.
Vielleicht entschliesst sie sich aber auch eher in den neu erbauten Forschungspalästen der Biologen und Chemiker an der Wand empor zu krabbeln und die Fensterbarrieren zu überwinden, um neugierig das Treiben der forschenden Jugend zu bewundern.
Wie dem auch sei - Karla ist frei - und ihr Schicksal hat sie nun selbst in der Hand. Mit ein wenig Glück hat sie bereits einen Weg vorbei an den Zweibeinern nach Südafrika gefunden.
Das ihr die kühlen Temperaturen heute mehr gefielen als das triste und öde Dasein im Spinnenkerker war definitiv nicht zu übersehen. Auch wenn sie nur langsam unterwegs war - bedächtig und vorsichtig zugleich - wird sie - intelligent wie sie ist vermutlich mit ihren Überlebensinstinkten das All Inclusive Programm in Südafrika Palast bereits entdeckt haben.
Zumindest hoffe ich das für Sie. Denn sie war wirklich eine hübsche - die Karla...