Bildquelle - pixabayDie Frage nach dem Sinn des Lebens...
Auf der Suche nach Sicherheit und einem angstfreien Leben, ist die Mehrzahl der Menschen stets bemüht das Spannungsfeld zwischen Sicherheit und Unsicherheit aufheben zu wollen, im steten Bemühen ihre Angst vor Verlust, vor Trennung, vor Versagen zu beseitigen. Spannung, so das Credo derer, die angstfrei leben wollen, ist dabei einem Leben in Sicherheit nicht zuträglich. Das Ziel der Angstfreiheit ist die totale Entspannung - und somit nicht weniger als der Tod selbst.
Denn nur wer begreift, dass das Leben stets auch Spannung bedeutet, nur der ist im Stande zu begreifen, dass das Leben ein beständiges Pendeln zwischen Plus und Minus ist - solange bis das Pendel des Lebens damit aufhört zwischen den Polen zu pendeln und nur noch in der Mitte hängt - in einem Zustand der totalen Entspannung und Ruhe, die viele Millionen Jahre anhält.
Das Leben definiert sich folglich stets aus Spannungsfeldern, welche gespeist werden aus Nähe und Distanz, aus gehabt werden und loslassen, aus Hektik und stoischer Ruhe, aus Kämpfen und Spielen aus Konfrontation und Geborgenheit und aus dem entstehen und vergehen...
Überall wo das Pendel des Lebens aufgehört hat, zwischen diesen vielgestaltigen Polen hin- und her zu pendeln, hat der Tod bereits Einzug gehalten. Begreifen wir die Spannungen in unserem Leben jedoch als das, was sie sind, als ein Beitrag des Lebenspendels zu unserem Seelenheil, so verliert das stete Bemühen nach Entspannung und Spannungsfreiheit im Umgang der Menschen untereinander seine Bedeutung - und somit das stete Bemühen nach Spanungsfreiheit im allgemeinen.
In diesen Stunden, wo der Tod meines Vaters verarbeitet werden will, muss ich unweigerlich an jenes Pendel denken, welches im Leben stets für Spannungen sorgte und ich begreife, dass diese Spannungen Teil des eigenen lebendigen Seins sind. Gäbe es sie nicht, so gäbe es auch mich nicht. Sind sie erst einmal weg, dann ist an die Stelle des Lebens der Tod getreten - unverhandelbar und unumkehrbar.
Erwin Schrödinger, der Physiknobelpreisträger, schrieb 1943 im Exil in seinem Buch "What is life?" über das Leben:
Leben ist das, was der Tendenz des Universums - von der Ordnung zur Unordnung, zum Chaos hin - entgegenarbeitet. Leben bedeutet somit gegen den Strom aufwärts schwimmen, aus Unordnung Ordnung schaffen.
Friedrich Nietzsche fasste dies lange vor Schrödinger einmal in einem Satz zu sammen:
Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern zu gebären.
Diese Definition von Leben mag vielen nicht mit der Verfolgung des einseitigen Lustprinzips vereinbar scheinen - dem Hedonismus, der fälschlicherweise Epikur zugeschrieben wird. Dabei wollte dieser gar nicht in grenzenloser Genusssucht leben - sondern stattdessen hatte er schon lange vor Freud erkannt, dass der Erfüllung von Lust oft die Unlust und häufig die Ernüchterung folgt.
Epikur erkannte daher schon früh, dass der Sinn des Lebens die Schmerzfreiheit und die Seelenruhe waren. Nur in dem wir Schmerzfreiheit erlangen kommen wir seelisch so weit zur Ruhe, dass wir auch nach dem Verlust eines nahestehenden Menschen weiterhin im Stande sind den Pendel des Lebens in Schwingung zu halten und somit das Leben selbst zu gestalten.
Dazu gehört aber auch zu akzeptieren, dass es sinnlos ist, die Spannung zwischen Sicherheit und Unsicherheit in unserem Leben aufheben zu wollen, sondern sich selber klar zu machen, dass stattdessen ein jeder selbst bereit ist, auch ein Leben in Unsicherheit ohne Angst vor Versagen, vor Verlust oder Trennung zu ertragen.
Es ist die höchste Form von Selbstliebe und damit der Sinn des Lebens höchstselbst, zu akzeptieren, was nicht mehr zu ändern ist und dennoch aus allem, was einem widerfährt im Leben das beste zu machen, solange das eigene Pendel weiter zwischen den verschiedenen Polen des Seins am schwingen ist.
Akzeptieren wir, was nicht mehr zu ändern ist, aber lassen wir uns deshalb nicht davon abhalten, eine Kultur des Friedens und der Achtsamkeit - in einem Klima des Vertrauens, frei von Angst - zu etablieren.
Dazu gehört jedoch nicht, dass wir dafür sorgen, dass sich das Pendel vorzugsweise im Plus stabilisiert - bei Identität, Sicherheit und Ordnung - kurz in der ISO-Norm, wo alle Menschen gleich sind, sondern das wir zu lassen, dass es auch ins Minus pendelt, eben um keine Isomenschen, Isobaren, Isonormen und was für Gleichmachereien erst entstehen zu lassen.
Liebe heilt
Denke ich an meinen Vater zurück, so weiss ich, dass er als Kind des Krieges schwere Traumata erlitten hatte, Traumata, die schlimme Narben tief im Unterbewusstsein zurück gelassen haben. Wir haben darüber gesprochen - vor vielen Jahren bereits. Es war damals eine sehr lange Nacht geworden.
Wenn Kinder im Grundschulalter Berge von Leichen während der Flucht rechts und links des Weges ertragen mussten, tote Frauen und Männer oder gar Kinder, dann bleibt dies nicht ohne Folgen für das eigene Leben. Auch aus diesem Grunde verurteile ich jede Form des Krieges und der Kriegshetze, ebenso wie Waffenlieferungen und Kriegsfinanzierungen, denn sie sind die schlimmste Erscheinungsform der Menschenverachtung, die es auf Erden gibt. Statt Waffen, sollten wir Blumen versenden, Liebe schenken und uns den anderen öffnen. Heilend wirkt auch in der größten Barberei des Krieges das Empfangen von Liebe. In Liebe zu leben, heißt jedoch nicht, ständig etwas von sich zu geben und sich "ausbeuten" zu lassen, sondern es bedeutet vor allem eines - sich öffnen.
Denn nur wer sich liebend öffnet, der kann auch empfangen, ohne zu fordern. Wir haben - und das lehrt uns der Tod stets aufs neue - nur eine Chance im Leben glücklich und zufrieden zu werden - und das ist zu lieben.
Wir müssen am morgen mit Liebe zum Tag aufstehen und am Abend mit Liebe zu Bett gehen, wie Peter Lauster einmal schrieb.
"Wir müssen uns liebend öffnen, alles, was geschieht, liebend und aufmerksam betrachten. Aufmerksamkeit und Offenheit sind Liebe. Unachtsamkeit und Geschlossenheit ist ein Zeichen für fehlende Liebe. Das führt uns in Depressionen und Zerstörung. Oder wie Peter Lauster einmal schrieb:
Wir zerstören erst uns selbst und dann die anderen, die Natur, die Lebewesen und die Menschen um uns herum. Wir sind im Alltag leider von vielen Menschen umgeben, die geschlossen sind, die nicht lieben können oder wollen, die deshalb zerstörerisch wirken. Ihre krankmachende und zerstörerische Wirkung strahlen sie auf alles aus, was sie umgibt, also auch auf uns. Wie kann man dem entfliehen oder begegnen? Es bleibt uns nichts anderes übrig, als diesen Zustand zu akzeptieren, ihn mit Aufmerksamkeit zu betrachten...
Es hat keinen Sinn dagegen zu kämpfen. Sobald wir kämpfen wenden wir Gewalt an, und Gewalt erzeugt Gegengewalt. Wer Gewalt anwendet, der wird durch die Gewalt umkommen, früher oder später, so Lauster.
Liebe schließt Gewalt aus. Aber wo Gewalt ist, kann Liebe wachsen. Gewalt hingegen kann niemals Liebe erzeugen oder wecken. Liebe heilt, Gewalt macht krank und zerstört uns selbst und die anderen. Es gibt nur einen einzigen Weg in die Freiheit und in das Licht des Glücks; dieser Weg heißt liebende Zuwendung zu geben. Es gibt kein stichhaltiges Argument des Verstandes, dass diese Erkenntnis schmälern könnte. Die Geschichte der Menschheit ist die Geschichte der Argumente für die Gewalt und gegen die Liebe...
Ich finde es ist höchste Zeit, diesen Zustand des Seins in unserem Leben eine neue Form zu geben, welche bereits damit beginnt, dass ich den Wolken bei ihrem Tanz am Firmament zusehe und, dass ich spüre wir die warmen Strahlen der Sonne mein Anlitz mit Leben erfüllen. Erst im Hier und jetzt, wenn das Denken still wird, beginne ich zu lieben - auch über den Tod hinaus. Peter Lauster formulierte dies sehr schön, als er schrieb:
In Achtsamkeit entfaltet sich die Liebe. Diese Liebe ist frei, sie ist augenblickbezogen. Den Augenblick kann ich nicht besitzen. Dem Augenblick kann ich keine Gewalt antun, ich habe keine Macht über ihn. Der Augenblick geht vorbei, und ein neuer Augenblick kommt. In dieser Erkenntnis liegt Weisheit, Schönheit und Zufriedenheit.
Anlässlich des Todes meines Vaters möchte ich dem nur noch hinzufügen, dass jeder Augenblick einzigartig war und auch bleiben wird. Peter Lauster schreibt dazu auch - Zitat: "In allem Leid, in aller Schrecklichkeit geht die Liebe nicht unter, das Leben besteht in seiner Schönheit weiter, wenn Du fähig bist diese Schönheit zu erkennen. Gleichgültig, was auch passiert, das Leben ist lebenswert. Wenn man Dir Hass und Zerstörung entgegenbringt, so ist das kein Argument gegen das Leben. Haß und Zerstörung sind eine Krankheit. Über diese Krankheit wird das Leben immer wieder siegen. In der tiefsten Not, im tiefsten Elend ist die Schönheit, die Offenheit, Liebe und Lebendigkeit immer mit dabei. Egal was geschieht, wie das Schicksal auch zuschlägt, die Schönheit ist gegenwärtig. Die Liebe allein heilt. Die Natur, das Leben sind Liebe. Auch der Tod gehört zur Natur... Du kannst das Leben nicht besitzen, es ist Dir geschenkt - von einem Augenblick zum anderen. So musst auch du sterben um einem neuen Augenblick Platz zu machen, damit neues Leben und neue Liebe entstehen können.
Wer in Liebe lebt, der hat keine Angst vor dem Tod. Wer in Liebe lebt, erlebt den Augenblick, er ist eins mit der Lebendigkeit, mit den Verhältnissen der Natur und des Lebens. Er akzeptiert den eigenen Tod.
Zu lieben heißt, dies alles - Entstehen und Vergehen, Geboren werden und zu sterben - zu akzeptieren, anzunehmen, als das was es ist - als Teil des eigenen Lebens.
Wenn Du heute nicht stirbst, dann freue Dich, dass Du heute noch leben kannst.
Versuche nichts festzuhalten, denn festhalten heißt Gewalt ausüben und den Tod heraus zu fordern. Der Tod kommt schneller, wenn Du Einfluss nehmen willst, so Peter Lauster. "Wenn Du die Liebe zu einem anderen Menschen konservieren willst, dann stirbt diese Liebe schneller, als Dein kluger Verstand gedacht hat."
"Je mehr Du fähig bist, den Dingen und den Menschen ihre Freiheit zu lassen, umso größer ist die Chance, dass sie Dir erhalten bleiben. Wenn Du Gewalt ausübst über Menschen und Dinge, wird diese Gewalt auf Dich zurück kommen. Die Dinge werden Deine Seele vernichten und die Menschen nach Deine Leben trachten."
Lasse alles so wie es ist, greife nicht ein, liebe es wie es ist und Du hast das Beste getan, für Dich und die anderen.
Peace.