Eines Tages
begab sich das Leben auf die Wanderschaft durch die Welt. Es ging und ging, bis
es zu einem Menschen kam. Der hatte so geschwollene Glieder, dass er sich kaum
rühren konnte. “Wer bist
du?” fragte der Mann. “Ich bin das
Leben.” “Wenn du das
Leben bist, kannst du mich vielleicht gesund machen”, sprach der Kranke.
“Ich will
dich heilen”, sagte das Leben, “aber du wirst mich und deine Krankheit bald
vergessen.” “Wie könnte
ich euch vergessen!” rief der Mann aus. “Gut, ich
will in sieben Jahren wieder kommen, dann werden wir ja sehen”, meinte das
Leben. Und es bestreute den Kranken mit Staub, den es vom Wege genommen hatte.
Kaum war das geschehen, war der Mann gesund.
Dann zog das
Leben weiter und kam zu einem Leprakranken. “Wer bist
du?” fragte der Mann. "Ich bin das
Leben.” “Das Leben?”
sagte der Kranke. “Da könntest du mich ja gesund machen.” “Das könnte
ich”, erwiderte das Leben, “aber du wirst mich und deine Krankheit bald
vergessen.” “Ich
vergesse euch bestimmt nicht”, versprach der Kranke. “Nun, ich
will in sieben Jahren wieder kommen, dann werden wir ja sehen”, sprach das
Leben. Es bestreute auch diesen Mann mit Staub vom Wege, und der Kranke ward
sogleich gesund.
Wieder begab
sich das Leben auf die Wanderschaft. Nach vielen Tagen kam es schliesslich zu
einem Blinden. “Wer bist
du?” fragte der Blinde. “Das Leben.” “Ach, das
Leben!” rief der Blinde erfreut. “Ich bitte dich, gib mir mein Augenlicht
wieder!” “Das will
ich tun, aber du wirst mich und deine Blindheit bald vergessen.” “Ich werde
euch bestimmt nicht vergessen”, versprach der Blinde. “Nun gut,
ich will in sieben Jahren wieder kommen, dann werden wir ja sehen”, sagte das
Leben, bestreute den Blinden mit Staub vom Wege, und der Mann konnte wieder
sehen.
Als sieben
Jahre vergangen waren, zog das Leben wieder in die Welt.
Es verwandelte sich in einen Blinden und ging zuerst zu dem Menschen, dem es das Augenlicht wieder gegeben hatte. “Bitte, lass mich bei dir übernachten”, bat das Leben. “Was fällt dir ein?” schrie der Mann es an. “Scher dich weg! Das fehlte mir gerade noch, dass sich hier jeder Krüppel breit macht.” “Siehst du”, sagte das Leben, “vor sieben Jahren warst du blind. Damals habe ich dich geheilt. Und du versprachst, deine Blindheit und mich niemals zu vergessen.” Darauf nahm das Leben ein wenig Staub vom Wege und streute ihn auf die Spur dieses undankbaren Menschen. Von Stund an wurde er wieder blind.
Es verwandelte sich in einen Blinden und ging zuerst zu dem Menschen, dem es das Augenlicht wieder gegeben hatte. “Bitte, lass mich bei dir übernachten”, bat das Leben. “Was fällt dir ein?” schrie der Mann es an. “Scher dich weg! Das fehlte mir gerade noch, dass sich hier jeder Krüppel breit macht.” “Siehst du”, sagte das Leben, “vor sieben Jahren warst du blind. Damals habe ich dich geheilt. Und du versprachst, deine Blindheit und mich niemals zu vergessen.” Darauf nahm das Leben ein wenig Staub vom Wege und streute ihn auf die Spur dieses undankbaren Menschen. Von Stund an wurde er wieder blind.
Dann ging
das Leben weiter, und es gelangte zu dem Menschen, den es vor sieben Jahren von
der Lepra geheilt hatte. Das Leben verwandelte sich in einen Leprakranken und
bat um Obdach. “Pack dich!”
schrie der Mann es an. “Du wirst mich noch anstecken!” “Siehst du”,
sagte das Leben, “vor sieben Jahren habe ich dich von der Leprakrankheit
geheilt. Damals hast du versprochen, mich und deine Krankheit niemals zu
vergessen.” Darauf nahm das Leben ein wenig Staub vom Wege und streute ihn auf
die Spur des Mannes. Im selben Moment wurde der Mann wieder von der
Leprakrankheit befallen.
Schliesslich
verwandelte sich das Leben in einen Menschen, dessen Glieder so geschwollen
waren, dass er sich kaum rühren konnte. So besuchte es jenen Mann, den es vor
sieben Jahren zuerst geheilt hatte. “Könnte ich
bei dir übernachten?” fragte ihn das Leben. “Gern, komm
nur weiter”, lud der Mann das Leben ein. “Setz dich, du Armer, ich will dir
etwas zu essen machen. Ich weiss recht gut, wie dir zumute ist. Einst hatte ich
ebensolche geschwollenen Glieder. Gerade ist es sieben Jahre her, als das Leben
hier vorüber kam und mich gesund machte. Damals sagte es, dass es nach sieben
Jahren wieder kommen wolle. Warte hier, bis es kommt. Vielleicht wird es auch
dir helfen.”
“Ich bin das
Leben”, sagte das Leben nun. “Du bist der einzige von allen, der weder mich
noch seine Krankheit vergessen hat. Deshalb sollst du auch immer gesund
bleiben.” Als es sich
dann von dem guten Menschen verabschiedet hatte, sagte es noch: “Ständig
wandelt sich das Leben. Oft wird aus Glück Unglück. Not verwandelt sich in
Reichtum, und Liebe kann in Hass umschlagen. Kein Mensch sollte das jemals
vergessen.”
Afrikanisches
Märchen, nacherzählt von Dietrich Steinwede
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